Das ganze Buch: Magister Fuchs

(hochdeutsch)

 

Einleitung

 

Es sprach der Fuchs zum Löwen:

Herr König, hör mich an,

das Lehren und das Lernen

bricht immer mehr sich Bahn.

Doch sieht’s in der Beziehung,

es ist ein Schreck, ein Graus,

gerad in unserm Reiche

gar schaurig-traurig aus!

Die Mädels und die Buben

sind alle faul und dumm,

sie balgen, statt zu lernen,

sich auf der Straß herum.

Daher reich ich die Bitte

ganz untertänigst ein:

O, führe doch die Schulpflicht

in unserem Reiche ein.

 

Da sprach zum Fuchs der Löwe:

Herr Fuchs, ich danke dir.

Du sprichst mit deinen Worten

ganz aus der Seele mir;

du hast mit Deinem Urteil

ja leider nur zu recht,

denn mit der Bildung steht es

in meinem Reiche schlecht.

Drum wird im ganzen Lande

noch heut bekannt gemacht,

dass Montag früh um 8 Uhr

die Schul wird aufgemacht,

und weil du solch ein kluger

und einsichtsvoller Mann,

so biet ich dir gleich hiermit

das Amt des Lehrers an.

 

Herr Fuchs sitzt in der Schule

schon manche lange Stund,

kein Schüler ist gekommen,

bloß Dackelchen, der Hund.

Er setzt sich in das Bänkchen,

sieht froh den Lehrer an,

doch der spricht: wegen Einem

fang ich erst gar nicht an.

Der brave Dackel weint nun

vor lauter Herzeleid,

er hatte auf das Lernen

sich gar so sehr gefreut.

Der Lehrer spricht: nun heul nicht,

ruf mir mal den Pedell,

der bringt die Andern alle

ganz sicherlich zur Stell.

 

Es währt auch gar nicht lange,

da kommt, so Schritt für Schritt,

der Herr Pedell und bringt nun

die Bösen alle mit.

Zuerst erscheint die Katze,

der ist es angst und bang,

das Fenster steht grad offen,

sie überlegt nicht lang, –

mit einem kühnen Satze

springt sie hinauf aufs Brett – –

mi-au – da war sie draußen,

das find ich gar nicht nett.

Der Gockel will ihr folgen,

der Lehrer kommt im Nu

und macht mit großem Eifer

die Fenster alle zu.

 

Bis nun ein jeder Schüler

an seinem Platze sitzt,

da hat der arme Lehrer

sich schon halb tot geschwitzt.

Das kleine, freche Böcklein

denkt nur an Streich und Spaß,

es schneidet flott Grimassen

und macht ‘ne lange Nas.

Auch neben ihm, dem Moppel

fehlt jeglicher Respekt;

er hat, man sollt’s kaum glauben,

die Zung herausgestreckt.

Das Schäfchen ist wie immer

recht artig, still und brav,

da sagt der Mops zum Böcklein:

guck nur dies dumme Schaf.

 

Betrachtet euch, ihr Kinder,

hier mal das kleine Schwein;

das schaut so recht verschlafen

aus seinen Äugelein.

Unsauber ist’s und garstig,

und ach, ich muss gestehn:

es hat schon vierzehn Tage

nicht Seif, – nicht Schwamm gesehen.

Der nette, kleine Spitzel,

der juckt sich immer so.

Laut ruft der Mops: Herr Lehrer,

der Spitz, der hat ’nen Floh.

Du lügst, schreit dann der Spitzel

und weint ganz jämmerlich;

das sag ich meiner Mutter,

wart nur, die prügelt dich.

 

Sehr ihr auf diesem Bilde

das Federvieh euch an,

so wisst ihr gleich, der Lehrer

hat wenig Freude dran.

Die Gans lässt sich nichts sagen,

sie ist ein dummes Ding

und schnattert so, als ob ihr’s

just an den Kragen ging.

Die Ente, erst so sittsam

ruft plötzlich laut heraus:

Herr Lehrer, ach, Herr Lehrer,

ich muss mal rasch hinaus. –

Und auch der Herr von Gockel,

der ist der Beste nicht,

er bläht den Federkragen

und macht ein frech Gesicht.

 

Jetzt geht mit einem Male

die Türe auf, ganz fein;

sieh da, Mama Karnickel

steckt ihren Kopf herein.

Herr Lehrer, sagt sie schmunzelnd,

ach, Sie entschuldigen wohl

ich bringe meinem Kinde

ein Köpfchen grünen Kohl.

Der Lehrer ruft ganz wütend:

Madame, ich bitt mir aus,

für diese bösen Rangen

gibt’s keine Frühstückspaus.

Da johlt die ganze Bande,

bellt, kräht, tobt, quietscht und schreit.

Was soll denn das noch werden,

du liebe, liebe Zeit.

 

Ha-ha, jetzt seh ich’s kommen,

Herr Fuchs, der holt den Stock,

jetzt klopft er euch die Hosen,

jetzt klopft er euch den Rock.

Da wird es in der Klasse

so muckschen-mäuschen-still, – – –

ja, so ein spanisch Röhrlein,

das weiß halt, was es will.

Dem Lehrer wird inzwischen

abwechselnd kalt und heiß,

mit seinem Schnupftuch trocknet

er sich den hellen Schweiß.

Dann hält er vom Katheder

’ne lange, lange Red, – – –

Nun bin ich doch begierig,

wie es hier weiter geht.

 

Pink-pink – so piept’s am Fenster,

was ist denn wieder los?

ein munteres, fettes Spätzlein,

das macht sich breit und groß;

es lacht aus vollem Halse,

was es nur lachen kann,

das Lachen steckt natürlich

die ganze Klasse an.

Doch gleich naht sich die Strafe

dem kleinen Störenfried;

wie es so lacht und spottet,

eh‘ es sich recht versieht,

da kommt ganz leis geschlichen

‘ne alte, graue Katz,

die zwickt es und die zwackt es

und frisst’s – auf einen Satz.

 

Als nun ein bisschen Ruhe

und Ordnung kommt ins Land,

da nimmt der Herr Magister

die Kreide in die Hand;

er spricht: nun schaut mal alle

hübsch auf die Tafel hie,

und, was ich jetzt da schreibe,

das merkt euch, ist ein „i“.

Doch kaum lässt er die Blicke

von der Gesellschaft los,

da geht gleich die Bescherung

und der Spektakel los.

Sie springen von den Bänken,

es ist schon nicht mehr schön,

und was sie sonst noch treiben,

das sollt ihr nun gleich sehen.

 

Der Spitz tanzt mit dem Moppel

‘nen lustigen Galopp,

das Schweinchen quietscht vor Freude,

das Böcklein springt, hopp – hopp,

und auch das weiße Schäfchen,

das sonst so brav und gut,

das kommt ganz aus dem Häusel

vor lauter Übermut.

Herr Gockel, Gans und Ente,

die spielen Ringelreih,

dann gibt’s `ne allgemeine

famose Keilerei;

sie werfen alle Bänke

und auch die Tische um,

der Lehrer ist vor Schrecken

ganz steif, ganz still, ganz stumm.

 

Dann schießt mit einem Male

die Galle ihm ins Blut,

weit auf reißt er die Türe

und schreit voll Zorn und Wut:

hinaus, hinaus, Gesindel,

nur rasch hinaus mit dir,

dass keins mehr von euch allen

kommt vor die Augen mir.

Euch etwas beizubringen,

das wär schon mehr als Kunst,

an euch ist aller Hopfen

und alles Malz – umsunst.

Es nehmen dann die Schüler

Flink wie der Wind Reißaus,

sie lachen sich ins Fäustchen:

Gottlob, die Schul ist aus.

 

Herr Fuchs, der ist vor Ärger

nun schon ganz grün und blau;

er schleppt sich müd nach Hause

zu seiner lieben Frau.

Die gibt ihm Hoffmannstropfen

und Baldrian dazu,

da kommen seine Nerven

allmählich dann zur Ruh.

Zwar lag er vierzehn Tage

noch auf dem Canapé,

ihm tat nicht nur der Magen,

nein, auch das Herz gar weh;

und als er wieder munter,

da sprach er dann: auf Ehr,

in meinem ganzen Leben

halt ich die Schul nicht mehr.

 

Es gibt der König Löwe

sich zwar noch alle Müh,

doch einen neuen Lehrer

entdeckt er nie und nie.

Auch ich, ich muss gestehen,

ich dank für das Pläsier,

nicht für ’ne Roll Dukaten

hielt ich die Schule hier.

Wer seinen Lehrer ärgert,

stets dumme Streiche macht,

hat es in seinem Leben

noch niemals weit gebracht.

Und darum sieht’s im Tier-Reich,

es ist ein Schreck, ein Graus,

noch heute mit der Bildung

gar schaurig-traurig aus.

 

Lina Sommer