Auf dem Friedhof
aus: Für dich – Reim und Prosa
(hochdeutsch)
Es wohnt im letzten Haus vom Dorf
ein Wanderer müd´ und alt,
das Haar gebleicht, die Stirn´ gefurcht,
gebrechlich die Gestalt.
Es gingen, die mit ihm einst jung,
zur Ruhe längst schon ein,
nun lebt er abseits, still für sich,
verlassen und allein.
Den Weg zum Friedhof legt er noch
an jedem Tag zurück
und sucht dort seine Gräber auf
mit halb erloschenem Blick.
Viel Blumen blühen rings umher
in heller, stiller Pracht,
Zypressen wiegen sich im Wind,
der Efeu klettert sacht.
Dort ruht er aus, dort weilt er gern,
oft bis zum Abendrot,
hält Zwiesprach mit Verstorbenen,
freut sich auf seinenTod.
Wenn du das alte Männlein siehst,
wie ´s mühsam sich schleppt fort,
gelt, geh ein Stückchen Weg mit ihm,
gib ihm ein liebes Wort.
Lina Sommer