Bei dem Kaffeekränzchen (Im Kaffeekränzel)
aus: Das kleine Lina-Sommer-Buch u. a.
ähnlich in: Nemm mich mit, es reut dich nit ! (in Klammern)
(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)
Lange Nasen, spitze Zungen,
Brillen, Runzeln, gesunde Lungen,
Häkelmuster, Strickzeugbeutel,
braune Locken, graue Scheitel,
Zuckerzange, Kaffeetasse,
Komplimente und Grimassen,
ringsumher nur ein Gewisper,
ein Gepisper und Geflüster.
Wisst Ihr denn schon das Allerneueste ?
Es interessiert Euch doch am meisten.
Denkt, der Rätin da ihr Gretchen, (denkt, der Rätin ihr Mathildchen)
knapp ein achtzehnjährig Mädchen, (das verkappte Madonnenbildchen)
geht – ist das denn nicht eine Schande –
jetzt schon mit einem Praktikant.
Sie sind schon auf Du und Du
und das lässt (gibt) die Rätin zu.
Hört, der Sekretärin ihr Lenchen
tragt als noch ihr altes Fähnche,
doch sie selbst kommt daher,
wie wenn sie eine Fürstin wär.
Alle die Fransen und die Spitzen
können ihr ja doch nichts nützen,
denn, trotz allem, sage ich Euch,
ist sie doch eine Vogelscheuche.
Habt Ihr die Inspektorin gesehen
in dem seidenen Jäckchen gehen ?
an die Nordsee, sagt sie, fahrt sie,
dabei aber knickst und spart sie,
so eine überspannte Gambel,
so eine faule, dicke Schlampel.
Ist um zehn noch nicht gekämmt,
nein, dass sich die Frau nicht schämt.
Die Direktorin – so ein Laster,
Puder, Schminke und Schönheitspflaster,
rauchen tut sie, kokettieren,
renommieren und poussieren.
Sie fahrt mittags in der Chaise,
er kriegt abends Backsteinkäse. (Limburger)
So ein lieber, netter Mann,
nein, wie der mich dauern kann.
Bei der Lehrerin, sage ich Ihnen,
nein, da möchte ich auch nicht dienen,
streicht der Magd, das wäre mein Tod,
Margarin(e) – statt Butterbrot.
Dabei renommiert sie immer
mit den gut gezogenen Kindern, –
kommt man nur vorbei am Haus,
strecken sie die Zunge heraus.
Wie die Augen ringsumher sprühen,
wie die Backen glänzen, glühen,
Eine gibt der Anderen Recht:
ja, die Welt ist gar zu schlecht.
Und bei all dem Räsonnieren,
Sticheln – Hecheln – Kritisieren, (Medisieren)
nicken sie sich schließlich zu:
aber alles entre nous. (unter uns bleibts, Liebe, du).
Lina Sommer