Bei Großmama

komplettes Buch - 1925

(hochdeutsch)

 

Mariechen und Luischen

und Fritzel stehen da,

sie möchten gern besuchen

die liebe Großmama.

Mariechen zieht die Glocke,

sie stellt sich auf die Zeh´n,

wär sie ein bisschen größer,

dann würd´ es leichter geh´n.

 

Mathilde kommt gelaufen,

die alte, treue Magd;

weit auf macht sie die Türe

und freut sich sehr und lacht.

Sie nimmt den kleinen Fritzel

auf ihren Arm geschwind,

er ruft: lass los, Mathilde,

ich bin kein Wickelkind.

 

Großmutter sitzt im Stübchen,

schneeweiß ist schon ihr Haar,

doch ihre lieben Augen,

die leuchten hell und klar.

Rasch kommen die drei Kinder

zu ihr herein gerannt,

sie sagen: Guten Morgen

und geben ihr die Hand.

Die liebe Frau erzählt nun

vom Riesen und vom Zwerg,

vom Zaubrer, vom Prinzesschen

und von dem Reisbrei-Berg.

Am aller-aller-liebsten

die Kinder hören zwar,

wie Großmama, die gute,

noch ein klein Mädchen war.

 

Hell scheint die liebe Sonne

vom blauen Himmelszelt,

der schöne große Garten

den Kindern wohl gefällt.

Mariechen nimmt die Kanne,

hoch schürzt sie ihren Rock,

sie gießt die bunten Blumen

und auch den Rosenstock.

 

Luischen holt den Rechen

und schafft und schafft drauflos,

der Pfiffikus, der Fritzel,

schaut nach den Beeren bloß.

Großmütterlein pflückt Blumen

zu einem schönen Strauß,

und sagt: den nehmt ihr später

den Eltern mit nach Haus.

 

Nun stehen in der Küche

die muntern kleinen Drei,

wie freut sich die Mathilde,

da seht mal hin, ei, ei.

Sie waschen die Rosinen,

flink geht es von der Hand,

sie schälen auch die Mandeln

und helfen allerhand.

 

Mathilde unterdessen

rührt einen feinen Teig,

es soll ein Pudding werden,

ich dacht´ es mir doch gleich.

Sie schiebt ihn in die Röhre,

das geht so leicht, so flott,

dann schält sie saft´ge Äpfel

und macht davon Kompott.

 

Die große Suppenschüssel

jetzt auf dem Tische steht,

und alle falten leise

die Hände zum Gebet.

Mathilde hat so sauber

und auch so nett gedeckt,

sie freut sich nun von Herzen,

wie gut das Essen schmeckt.

 

Der Pudding, oh, der Pudding,

er ist der helle Staat,

und schmecken tut er köstlich,

ganz einfach delikat.

Mathilde, sagt der Fritzel,

Mathilde, glaub mir doch,

wenn ich ein großer Herr bin,

dann heirat ich dich noch.

Großmütterlein ist müde,

es gab doch viel zu tun,

sie sitzt in ihrem Sessel

und will ein bisschen ruhn.

Mariechen holt den Schemel,

das Kissen auch geschwind,

die alte Frau sagt freundlich:

ich danke dir, lieb Kind.

 

Ein Bilderbuch, ein buntes,

bringt nun Mathilde her,

die kleinen, lust´gen Verse

erfreu´n die Kinder sehr.

Sie wenden alle Blätter

ganz leise um, und sacht,

dass Großmama, die gute,

nicht aus dem Schlaf erwacht.

 

Nach einem halben Stündchen

hat sie schon ausgeruht,

und gleich bringt die Mathilde

das Tuch und auch den Hut.

Froh geht’s hinaus ins Freie,

die liebe Sonne lacht,

wie schön hat doch Gottvater

die weite Welt gemacht.

 

Herr Schwammerling im Walde

hat eine große Freud,

als er daher sieht kommen

die lust´gen kleinen Leut´.

En flinkes, braunes Häslein,

das läuft wie um die Wett,

ach, wenn man jetzt geschwinde

ein bisschen Salz nur hätt.

 

Und weiter geht’s und weiter

bis an ein Bauernhaus,

da gackert´s und da schnattert´s

und kräht so laut heraus.

Zwei kleine Bauernkinder

seht, ohne Strümpf und Schuh,

die füttern ihre Küken,

der Nero, der schaut zu.

 

Hier in der großen Stube

ist alles blitzeblank,

so schön und so gemütlich

sitzt es sich auf der Bank.

Großmutter kauft nun Eier

und frische Butter ein,

aha, denkt sich Luischen,

für unser Mütterlein.

 

Wie sie nach Hause kommen,

steht der Kaffee schon da,

Mathilde denkt an alles,

sie sorgt so gut, ja, ja.

Und selbstgebackene Waffeln,

so knusprig und so frisch

und Brot und Butter stellt sie

im Garten auf den Tisch.

Ach, seufzt der Bruder Fritzel,

wie wär es halt so nett,

wenn ich doch alle Tage

so gute Waffeln hätt.

Das glaub ich, lacht Mariechen,

du bist recht schlau, sieh da,

so delikate Sachen

gibt’s nur bei Großmama.

 

Es klingelt an der Türe,

Christine kommt, schau, schau,

sie sagt: ich soll schön grüßen

von meiner gnäd´gen Frau;

ich soll die Kinder holen,

der Weg ist noch gar weit,

wir müssen uns beeilen,

bald ist es Schlafenszeit.

 

Mathilde hat Christine

gleich Kaffee vorgesetzt,

sie haben dann zusammen

so recht vergnügt geschwätzt.

Dann sagt sie: liebe Kinder,

nun aber flott marschiert,

sonst ängstigt sich die Mutter,

es wär etwas passiert.

 

Ade, heißt´s nun, du liebe,

du gute Großmama,

besuchst du uns am Sonntag ?

oh, bitte, sag doch ja.

Es war bei dir heut wieder

so wunder-wunder-schön,

wir danken dir von Herzen,

leb wohl, auf Wiedersehen.

 

Viel hundert liebe Sternlein

still auf die Kinder sehn,

hell scheint der Mond, der gute,

wie sie nun heimwärts gehn.

Und bei der lieben Mutter

wird froh erzählt, gelacht,

dann geht es in die Bettchen,

schlaft wohl, Gutnacht, Gutnacht.

 

Lina Sommer