Beim Umzug

aus: Grüß Gott

(hochdeutsch)

 

Der Möbelwagen hält vor dem Haus;

in den großen, den weiten Räumen,

wo einst so viel stilles Glück gewohnt,

so viel zukunftsfrohes Träumen,

im schwarzen Kleid eine blasse Frau,

die Augen voll Weh und Klagen,

obwohl geschlossen der feine Mund,

warum, warum, hört man fragen.

 

Bald ist auch das letzte Stück verpackt,

ihre Blicke schweifen noch immer

in tiefem, in brennendem Abschiedsweh

durch die öden, die kahlen Zimmer.

Sie bleiben haften an einer Tür,

viel Striche kann man dort finden,

die, einst gezogen von fester Hand,

von sonnigen Stunden künden.

 

Was war´s ein Jubel, was war´s ein Glück ,

wenn der Vater so fröhlich sagte:

ihr Buben, ihr wachst mir ja über den Kopf,

und stolz zur Mutter sie brachte.

Er starb, er ließ sie so früh allein;

gesegnet war ihr Bemühen,

die Söhne tüchtig und frank und frei

in seinem Sinn zu erziehen.

 

Sie wuchsen heran, sie zogen hinaus,

den grimmen Feinden zu wehren,

sie schlafen beide in fremder Erd´,

wird keiner je wiederkehren.

Die bleiche Frau im schwarzen Gewand,

der im Auge die Tränen stehen;

liebkost die Striche mit zitternder Hand

und wendet sich langsam zu Gehen.

 

Lina Sommer