Das alte Häuschen

aus: Im Vorübergehn

(hochdeutsch)

 

Welche Weihe, welcher Friede,

welche Ruh geht von ihm aus,

und solch köstliches Behagen,

von dem kleinen, alten Haus.

 

Die hier lebten, liebten, starben,

sangen froh ihr Lebenslied,

das noch jetzt in leisen Tönen

wohlig durch die Räume zieht.

 

Hinter bleigefassten Scheiben

freundlich uns entgegenlacht,

wohl gepflegt und treu behütet,

der Geranien helle Pracht.

 

Eine bunt bemalte Wiege

grüßt uns, Spinnrad auch und Truh,

eine alte Bilderbibel,

ausgetretene, kleine Schuh.

 

Viele muntere, schlanke Schwalben

haben sich hier angebaut,

und der moosbewachsene Brunnen

plätschert leise und vertraut.

 

Unterm alten Lindenbaume,

den der Urahn einst gepflanzt,

hat bei froher Spielmanns-Weise

oft das junge Volk getanzt.

 

Und geschmückt mit Myrtenzweiglein

zog manch glücklich Paar hier ein,

leise trug und sachte-sachte

man hinaus manch engen Schrein.

 

Auf dem kleinen, morschen Bänkchen

saßen, wenn der Tag entschwand,

wegemüde, alte Leute

oft beisammen, Hand in Hand.

 

Reißt´s nicht ab, das alte Häusel,

damit nicht an seiner Statt

prunkend ein Palast erstehe,

der nichts zu erzählen hat.

 

Lina Sommer