Das Minchen und das Binchen ('s Minche un 's Binche)

aus: E klän Präsent

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

 

Oh, Jesses, Binchen, gelt, Du bist es ?

habe Dich eine Ewigkeit nicht gesehen.

Wie geht Dir es denn, was treibst Du denn,

willst Du nicht ein Stückchen mit mir gehen ?

 

Tust Du auch die Kur gebrauchen hier ?

wo wohnst Du denn, wo kommst Du her ?

du bist einmal so aufgeputzt,

und noch so munter und leger.

 

Ach, Minchen, Minchen, nein, die Freude,

es ist mir, als wäre mir ebbes (etwas) geschenkt,

dass ich Dich treffe jetzt, nach zehn Jahren,

hätte ich im Leben nicht gedacht.

 

Ja, ich gehe mit, ich habe ja Zeit,

doch Minche, weißt Du, Du stichst mich aus,

wie siehst Du noch so jugendlich

so rosenrot und blühend aus.

 

Die Binchen triumphiert bei sich:

was kommt die Minchen alt daher,

verhutzelt, grau, verblasst, verblüht

gerade wie wenn sie meine Mutter wäre.

 

Die Minchen, die denkt ihrerseits,

was ist die Binchen alt, oh mei,

was hat sie Falten im Gesicht,

ich könnte, weiß Gott, ihre Tochter sein.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise: