Die beiden Missetäter

aus: Gedichtchen für Kinder

(hochdeutsch)

 

Zwei Hähnchen, jung und nett und schön,

die wollten gern die Welt besehen,

sie putzten sich gar hübsch und fein,

und als ihr liebes Mütterlein

grad ausging auf die Schneckenjagd,

da haben sie sich aufgemacht.

 

Zuerst ging alles schön und gut,

gar fröhlich war das junge Blut;

sie schlugen mit den Flügelein,

sie nahmen jedes Hügelein,

sie hupften hin, sie hupften her,

als ob es heut just Fastnacht wär,

und haben dann vergnügt gelacht:

das haben wir famos gemacht.

 

Doch ach, die Freude währt nicht lang,

bald wurde ihnen angst und bang;

nun ging auch gleich das Seufzen los:

oh je, wie ist die Welt so groß,

oh wären wir daheim, daheim,

wie wollten wir so glücklich sein.

 

Sie fassten still sich bei der Hand

und liefen auf und ab im Land

und als die Sonne untersank,

da waren sie ganz matt und krank;

sie piepten nur noch leis: Mama,

und waren schier dem Tode nah.

 

Da kam nach einer kleinen Weil´

das Mütterlein daher in Eil´

sie hatte keine Ruh´ gehabt

und sich zum Suchen aufgemacht.

 

Ihr Kinderlein, wie sehr ihr aus,

so rief sie, ach es ist ein Graus;

das schöne Sonntags-Federkleid

voll tausend Flecken weit und breit,

da hilft kein Waschen, kein Benzin,

´s ist ein für allemal dahin.

 

Oh jemineh, die Schuh und Strümpf,

es ist ´ne Schande und ein Schimpf,

ich flick sie nicht, ich danke schön,

von nun an könnt ihr barfuß gehen.

 

Der Vater war auch sehr empört,

als eure Unart er gehört,

dass ihr so heimlich fortgerannt

und mir nichts, dir nichts, durchgebrannt;

nun sagt ihm nur, es tät euch leid,

damit er wieder euch verzeiht.

 

Die beiden Sünder, voller Reu´,

zum Vater schlichen, still und scheu;

ach lieber Vater Gockelhahn,

nimm uns doch wieder gnädig an,

so jammerten sie alle zwei

und sie versprachen auch dabei:

wir wollen aber so was nun

auch ganz gewiss nicht wieder tun.

 

Herr Gockel macht´ ein streng Gesicht

und sprach: ja, schämt ihr euch denn nicht,

ihr habt euch beide nett blamiert,

ich hoff´ nur, ihr seid nun kuriert;

für diesmal gilt noch Gnad´ für Recht,

ein andermal ergeht´s euch schlecht.

 

Die Hähnchen warteten nicht lang´,

sie hüpften flink auf ihre Stang´,

und schliefen gut und schliefen fein

bis in den hellen Tag hinein,

und träumten, alle zwei zugleich,

von ihrem nächsten, losen Streich.

 

Lina Sommer