Das Schweinerippchen

aus: Hausapothek

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten


Mein strenger und doch grundgütiger Papa war ein bisschen ein Schnäker und hat (unter anderem) auch die Gewohnheit gehabt, dass er sich abends gegen fünf ein extra Bene in Gestalt von einer kleinen Zwischen-Mahlzeit angetan hat. Unser altes Faktotum, der Georg, hat dann immer für die nötige Abwechslung gesorgt. Einmal hat er ein Extra-Würstchen geholt, dann wieder ein Schweinerippchen oder ein Stück Rahm- oder Schweizerkäse, und hat es mit einem Fläschchen Bier in das Privat-Kontor gestellt.


An einem schönen Tag sagt mein Papa zu mir: „Du, höre einmal, Linchen, der Georg hat heute keine Zeit – er muss Tabak einfädeln, – wie wäre es denn, wenn du einmal zum Metzger gingst, für mir ein Schweinerippchen zu holen?“


„Ja, Papa – das kann ich ja ganz gut besorgen.“ „Nein, so einfach, wie du denkst, ist das Ding doch nicht. Mit deinem Mäulchen freilich bist du immer vorne dran. Also – passe auf und höre mir zu: Es gibt nämlich zwei Sorten von Schweinerippchen: die eine ist fest und rund, lauter kompaktes Fleisch, – die andere ist lang, saftig und schön durchwachsen. Von der runden, kurzen Art will ich nichts wissen, – warum, die ist meistens trocken und ohne Fett. Übrigens, wenn ich dir sage, Linchen, von dieser Sorte will ich keines, dann brauche ich dir nicht lange zu explizieren, warum, dann hast du dich einfach danach zu richten, verstanden?“

 

„Ja, Papa.“


„Gut, du holst mir also eines von der anderen Sorte, von den langen, saftigen, durchwachsenen, und für dass es kein Durcheinander gibt, zeichne ich dir es auf ein Stückchen Papier, und falls du im Zweifel bist, gibst du einfach den Zettel hin.“


Er hat also ein Fetz(el)chen Papier genommen, mein Papa-Schnäker – Schnäker-Papa, hat ein rundes, kurzes Rippchen gemalt und darunter geschrieben: so nicht, und nebendran ein langes, durchwachsenes, und geschrieben: sondern so !


Mit meinen sechs Kreuzern bin ich die Gasse hinunter getänzelt und geschwänzelt, habe mich im Metzgerladen auf die Zehenspitzen gestellt und gesagt: „Ein recht schönes Kompliment von meinem Papa und Sie möchten so gut sein, und möchten mir ein recht durchwachsenes, langes Schweinerippchen geben, aber keines von den kompakten.“


„Was soll ich dir geben – sage es noch einmal – glaubst denn du, dass der liebe Herrgott Extra-Schweinerippchen für deinen Papa wachsen lässt“, hat mich der Metzger abgekanzelt – und alle Leute im Laden haben hell aufgelacht. Dann hat er mir so ein kurzes, rundes Rippchen abgeschnitten, obgleich nebendran ein langes, durchwachsenes Rippenstück gelegen ist.


Auf der Gasse habe ich mir den Schaden bei Licht betrachtet, und weil so ein schönes Stück(el)chen Fett daran gehangen ist, habe ich es abgeroppt (abgerissen) und in den Mund gesteckt. In meinem bösen Gewissen habe ich dann daheim zu meinem Papa gesagt: „Na, aber so ein schönes Schweinerippchen, Papa, da wirst du einmal gucken.“


Ja, er hat geguckt, mein lieber alter Herr, zuerst auf das Rippchen, dann auf mich, hat die Stirne in Falten gelegt und geseufzt: „Linchen, Linchen, das ist ja gerade das konträre Gegenteil von dem, was du hast bringen sollen. Da ist ja keine Spur von durchwachsen und es sieht mir schiergar so aus, als hätten die Mäuse daran herum geknabbert. Hast du denn den Zettel nicht hingewiesen?“


„Nein, Papa.“


„Warum denn nicht, heraus mit der Sprache.“


„Ich habe gedacht, ich werde ausgelacht.“


„So, so, du denkst, du wirst ausgelacht, wenn dich dein Papa etwas heißt. Wo bleibt denn da die kindliche Ehrerbietung? Ich kann dir nicht helfen. Du gehst noch einmal in den Metzgerladen, zeigst den Zettel und tust das Rippchen umtauschen.“


Widerspruch oder Bitten hat es bei uns nicht gegeben. Ich bin aus dem Kontor heraus, und die hellen, heißen Tränen sind mir aus den Augen gelaufen. Aber bald ist mir eine Erleuchtung gekommen. Flink wie ein Wieselchen bin ich die Treppe hinauf in mein Schlafzimmerchen, habe mir Geld aus meinem Sparkässlein geholt, das Rippchen in mein Rocksäckchen gesteckt und bin in den Metzgerladen gelaufen.


Da waren richtig die kurzen, runden, trockenen ausverkauft und ich habe so ein langes, durchwachsenes Rippchen erwischt.


Mein Papa hat mit dem ganzen Gesicht gelacht, hat mir eine lange Standrede gehalten über den kindlichen Gehorsam, den man den Eltern schuldig wäre, hat mir eine feste Patschhand gegeben und hat mich in Gnaden entlassen.

 

Auf einem gewissen Örtchen habe ich den Schlüssel zweimal herumgedreht, und habe mir das Rippchen großartig schmecken lassen.


Ich bin auch dafür, dass man die Kinder streng und zum Folgen erzieht, nur soll man es nicht so weit treiben, dass sie sich besinnen müssen, wie sie die Eltern überlisten – kurzum, man soll keinem Kind zumuten, ein Schweinerippchen umzutauschen.


Habe ich nicht Recht ?


Originalschreibweise:

folgt