Der Floh

aus: Dess un Sell (1925)

(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

Die S(us)anne, ein rundes, gesundes und pfiffiges Mädchen von so Jahren 48 hat bei Herrn Schmitt (einem alten Junggesellen) die Haushaltung – und das große Wort geführt. Für ein bisschen Ab-wechslung in ihr einfarbiges Leben zu bringen, haben sie sich als gegenseitig so kleine Ducken (Streiche) gespielt. Der Herr Schmitt hat jedem, der es hat hören wollen, und auch jedem, der es nicht hat hören wollen, erzählt, die Sanne wäre ein Hauskreuz und ein Laster erster Klasse, und die Mamsell Sanne ihrerseits hat überall herumgeschwätzt, sie hätte nichts als Schikanen bei dem alten Haffegucker auszustehen, und wenn er sie nicht dauern täte, wäre sie schon längst fortgelaufen.

 

Wie jetzt die Sanne an einem schönen Morgen dem Herrn Schmitt den Kaffee hereinbringt, sagt er spitz und kurz: mit Ihnen Ihrer Pro-prietät ist es nicht weit her, wissen Sie etwas Neues, ich habe einen Floh im Bett! Gelt, sorgen Sie doch dafür, dass ich das nicht noch einmal erlebe, Sanne.

 

Herr Schmitt, verdeffendiert sich die Sanne, ich bitte mir es aus, auf meine Proprietät lasse ich nichts kommen! Wenn Sie wirklich einen Floh verspürt haben, werde ich ihn schon erwischen. Wer weiß, wo Sie sich den aufgegabelt haben. Im Übrigen, ich bin in Ehren grau geworden, Herr Schmitt, merken Sie sich das.

 

Die Sanne sucht und sucht das ganze Bett ab, holt die Bürste und den Ausklopfer und malträtiert die unschuldigen Betten, dass es nur so eine Art gehabt hat. Zu ihrem größten Pläsier hat sie aber nichts entdeckt, was einem Floh auch nur im Entferntesten ein bisschen ähnlich gesehen hätte.

 

Am anderen Morgen brummt der Herr Schmitt wieder: Sanne, ich glaube als, Sie legen es darauf an, mich zu ärgern. Ich habe, mei-ner Seele, wieder einen Floh im Bett gehabt. Die ganze Nacht habe ich kein Auge zugetan. Jetzt geben Sie aber Acht, dass das nicht noch einmal vorkommt, wissen Sie, ich habe es jetzt satt, Sanne.

Herr Schmitt, kreischt die Sanne, wieder einer, ha, das wäre ja nicht übel! Mit dem allerbesten Willen von der Welt habe ich gestern kei-nen Floh in Ihnen Ihrem Bett finden können! In Gottes Namen will ich heute noch einmal suchen, aber das sage ich Ihnen, das ist das letzte Mal. Ich finde meinen Weg, darauf können Sie sich verlassen! Bilden Sie sich nur nicht ein, dass ich mir von Ihnen, wegen Ihnen Ihrem Floh, Flöhe in die Ohren setzen lasse. - - - Auch gut, Sanne.

 

Am dritten Tag konstatiert der Herr Schmitt wieder: Sanne, Sie können sagen, was Sie wollen, und ich habe doch einen Floh im Bett. Wenn das nicht anders wird, quartiere ich mich aus.

 

Die Aussicht war der Sanne natürlich nicht einerlei, ihre ganze Re-putation ist ja auf dem Spiel gestanden. Sie überlegt hin und her und herüber und hinüber, endlich geht ihr ein Licht auf: warte, Alter-(le), dich kriege ich, lacht sie vor sich her.

 

Flink läuft sie zum Metzger, holt für zehn Pfennig Leberwurst, lockt damit so ein armes, halbverhungertes Hund(el)chen, nimmt es auf den Arm, und es hat auch nicht lange gedauert, da hat sie einen Staatskerl, so ein rechtes Prachtexemplar von einem Floh zwischen den Fingerspitzen gehabt.

 

So liebenswürdig ist noch kein Floh behandelt worden, seit Adams Zeiten, wie der da! Die Sanne hat ihn in ein Glas hüpfen lassen, ein weißes Papierchen oben darüber darauf gebunden, hat ein paar kleine Luftlöcher hinein gestochen, und wie sie dann ihren Herrn kommen hört, läuft sie ihm entgegen: Herr Schmitt, Herr Schmitt, ich habe ihn erwischt, da gucken Sie einmal den Mordskerl an, kein Wunder, wenn der ihnen gegeistert hat.

 

Na, wer hat jetzt Recht gehabt, Sanne, frägt der Herr Schmitt.

 

Natürlich Sie, sagt die Sanne, jetzt geben Sie einmal Acht, wie gut Sie heute Nacht schlafen werden.

 

Und richtig, der Herr Schmitt hat geschlafen wie noch einmal ein junger Gott, und von einem Floh hat er nichts mehr verspürt.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

folgt