Lina Sommer schreibt an Paul Münch

aus: Das Lewe is kä Kinnerschbiel

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

 

                                                                            München, Adalbertstr. 46 II l, 23. Januar 1910

 

Sehr geehrter Herr Landsmann, lieber Bruder in Apoll,


gerade alleweil habe ich unter Weinen und Lachen die „Pälzer Weltg’schicht“ studiert. Ich kann nicht anders, ich muss Ihnen gleich die Hand geben und muss Ihnen danken für Alles, was Sie mir da vor die Augen und in‘s Herz gezaubert haben. Wenn es einen Sorgenbrecher gibt auf dieser garstigen Welt, dann ist es Ihr liebes Büchlein.

 

Freundlichen Pfälzer Gruß und Handschlag – Frau Lina Sommer

 

 

                                                                            München, Adalbertstr. 46 II l, 30. Januar 1910

 

Geehrter Herr Landsmann,


jetzt müssen Sie aber nicht denken, dass ich Ihnen, auf Ihr liebes Schreiben hin, mit Briefen bombardieren, schikanieren, malträtieren, inkommodieren täte, nein, ich will Ihnen nur in aller Eile die Patschhand zurückgeben und will Ihnen sagen, dass ich mich arg freue, wenn Sie mich einmal besuchen – wie avisiert.

 

Nach mir guckt so wie so kein Mensch und kein Teufel. Und wir wollen uns auch weiter keine „Elogen“ machen, „schmeicheln“ wollte ich ihnen nicht, da sind Sie schief gewickelt, das ist meine Art gar nicht, es war helle, eine ehrliche Bewunderung und Herzensfreude, die wo mir die Feder in die Hand, vulgo „Dotschen“ gedrückt hat.

 

Ich habe mir gedenkt, wie ich das Büchlein gelesen habe, dem Mann musst du einmal einen Gruß schicken und die Hand geben. Und weil ich nicht gewusst habe, woher und wohin, habe ich an dem Mann seinen Verfasser geschrieben.

 

Ich ärgere mich als, dass „der Mensch“ im Großen und Ganzen, so wenig „zum Menschen“ spricht, resp. sprechen darf. Es wäre meinem Naturell und meinem Geschmack nach viel schöner, wir gingen nicht so fremd aneinander vorbei in dieser Welt.

 

In der Pfalz ist es ja allerdings besser: da sind wir, mehr oder weniger, alle miteinander verschwistert. Und das sage ich Euch, wenn ich das zweifelhafte Glück haben sollte, noch einmal auf die Welt zu kommen, ich ginge Euch so wenig mehr aus der Pfalz heraus, so wenig, wie ich jetzt noch einmal herein komme.

 

In Kaiserslautern hat früher ein Onkel von mir gewohnt, Oberstaatsanwalt Bohsert, wenn Sie ihn vielleicht gekannt haben, seine Frau ist eine Schwester von meiner Mutter selig geborene Antz aus Edenkoben. Wenn ich das jetzt alles so schreibe, da sehe ich wieder meine ganze Jugendzeit vor mir – und ich könnte weinen, aber jetzt express nicht, jetzt wird fest gelacht!

 

Wissen Sie, woher ich Ihr Büchlein habe? Nein, also, eine Pfälzerin hat mir es verehrt, auch ein Speyerer Kind, Frau Bauamtmann Ullmann, eine Tochter vom Forstrat Ritter. Die ist mit einem Verwandten auch von’s Antze Familie, verheiratet, neulich sind sie hierher versetzt worden, und da hat sie mir die „Pälzer Weltg’schicht“ mitgebracht.

 

Und deswegen soll ich Ihnen auch von jedem von meinen drei braven Buben einen recht schönen Gruß bestellen – Tränen lachen wir als beim Vorlesen – namentlich, wenn ich einmal mit meinem Pfälzer Schnabel drankomme. Mit Braun & Schneider wird es schon noch etwas, hoffentlich erlebe ich es noch.

 

Sie honorieren, auf meine Bitte, meine Sachen immer gleich bei der Annahme, und so bleiben sie halt ein bisschen arg lange liegen. Es sind noch Gedichtlein dort von 1908, und alles, was sie in selbiges projektiertes Büchlein bringen wollen, soll nolens volens erst in den Fliegenden gewesen sein; drum dauert es ein bisschen lange.

 

Wenn ich Zeit hätte, ich wollte Euch die Ohren vollblasen und volldichten bis dorthinaus, aber ich muss erst von heute auf morgen sorgen. Und jetzt adieu in aller Eile, einen schönen Gruß an die Frau und die Kinder und alles Gute für Leib und Seele. Mit pfälzer Handschlag – Frau L. Sommer

 

                    Grüße mir das Lottchen, grüße mir das Lenchen,

                    grüße mir unser blau-weißes Fähnchen,

                    grüße meinen Heiner, grüße meinen Georg,

                    jeden braven pfälzer Burschen,

                    unsere liebe, alte Pfalz

                    froh und fröhlich „Gott erhalts“.

 

 

                                                                      München, Adalbertstr. 46 II l, 25. November 1910

 

                    Geliebter Bruder in Apoll,

                    am liebsten täte ich selbst kommen,

                    doch, weil sich es halt nicht machen lässt,

                    wird jetzt die Feder gleich genommen.


                    Es ist eben in der Neustadt drin

                    ein Büchelchen von mir beim drucken,

                    und jetz(er)t lege ich euch ans Herz,

                    Ihr möcht(et) das Ding einmal begucken.


                    Ihr möchte(et) auch Eure pfälzer Nase

                    ein bisschen in selbiges Büchlein stecken,

                    und – wenn es auch gerade keine „Weltg’schicht“ ist –

                    die Kost halt doch Euch lassen schmecken.


                    Macht es Euch Pläsier, empfehlt es nur weiter

                    als Pille für allerhand so Kummer,

                    wenn sich das Büchlein gut verkauft,

                    dann freut sich arg die Madame Sommer.

 

Sehr geehrter Herr Münch,


ich denke, Sie nehmen mir meine Zeilen nicht übel. Das Buch, das im Verlag von Marnet von mir nächstens herauskommt, hat den Titel:


                                            „Nemm mich mit, es reut Dich nit“


Preis 2,25 und 2,75. Wenn Sie vielleicht ein oder den anderen Bekannten dafür interessieren wollen, bin ich Ihnen sehr dankbar. Mit pfälzer Gruß und freundlichen Gedanken an „sellemols“ – Frau Lina Sommer.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

folgt