Trumpf

aus: Hausapothek (1933)

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen

wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

Die Jettchen war, wie ihre Mutter gestorben ist, zwanzig Jahre alt und die Älteste vom Herrn Akziser (Steuereinnehmer) Müller seinen fünf Töchtern. Der Papa hat es als ganz selbstverständlich angenommen, dass sie für alles gesorgt hat, für alles aufgekommen ist und sozusagen die Katze durch den Bach geschleift hat.

 

Ihre Schwestern haben etwas lernen und sich ausbilden dürfen – haben alle gute Partien gemacht, nur nach der Jettchen hat kein Mensch geguckt. Warum – weil sie vor lauter Schaffen und Sorgen, und Einteilen und Aussteuern vor der Zeit gealtert ist. Geld war auch nicht viel da – kein Wunder, wenn da keiner gekommen ist, – und sie hätte sich doch so gerne verheiratet.

 

Wie dann der Papa auch die müden Augen zugemacht hat, da hat die Jettchen gedacht, dass sie jetzt – zum Lohn für all ihr selbstloses Wesen – bei ihren Geschwistern einen warmen Unterschlupf finden täte. Aber nein – eine hat sie immer der anderen aufhalsen wollen, und bald hat die arme Jettchen, mitsamt ihren vierzig Jahren auf dem Buckel, eine Stelle angenommen bei fremden Leuten.

 

Ab und zu hat sie sich als einmal ein Los gekauft, und an einem schönen Tag hat sie wahrhaftig (vielleicht als Ausgleich für all den Schabernack, wo das Leben ihr gespielt hat), einen Haupttreffer von fünfzigtausend Mark gewonnen.

 

Mit Blumen in den Händen und so flink wie die Wieselchen sind dann die Schwestern und die Schwäger gekommen, haben der Jettchen gratuliert und haben sie dermaßen verdrückt und verküsst, dass ihr fast der Atem ausgegangen ist.

 

„Du, Liebe“, hat die Minchen gesagt, „für allein zu wohnen bist du doch noch zu jung, das meint mein Mann auch. Wer weiß, was für allerhand Anfechtungen du da ausgesetzt wärst. Gelt, ziehst zu uns, Jettchen, kannst sogar gleich mitkommen; ich habe die schon die gute Stube gerichtet, und das Fremdenzimmer mit zwei Betten ist auch für dich parat, wenn du dir einmal einen Besuch einladen willst.“

 

„Oh Jesses, du wirst doch nicht zu dieser ziehen – da wärst du schön dumm“, hat die Gustel gepispert. „Denke nur an die vier verkrischenen kleinen Kinder – da hättest du ja Tag und Nacht keine Ruhe. Bei uns kannst du in Frieden leben – mein Mann ist den ganzen Tag nicht daheim, unser Treidchen geht in die Töchterschule, da stört dich niemand.“

 

„Jettchen, Jettchen – sei nicht so dappisch und gehe nicht auf den Leim – sage einmal offen und ehrlich, habe sich die anderen jemals um dich bekümmert? Gucke, ich habe es immer gut mit dir gemeint, und mein Mann verehrt dich so“, hat die Sannchen versichert. „und bedenke nur unsere schöne Wohnung in der Hauptstraße, direkt am Paradeplatz, wo du alles übersehen kannst, und den ganzen Tag Unterhaltung hast. Ich lasse dir auch ein Fensterspiegelchen anbringen; und dann haben wir ja ein Wasserklosett und ein Badezimmer im Haus, und unten drin ist der schöne Konditorladen, und im zweiten Stock wohnt ein Doktor, wenn dir einmal etwas passieren sollte. Oh mei, jetzt besinne dich doch nicht lange – so gut wie bei uns bist du nirgends mehr aufgehoben.“

 

„Bist du jetzt bald fertig, alte Staatsprokuratorin, du“, hat die Dorchen die Sannchen unterbrochen; „meinst du vielleicht, dass es ein Pläsier für die Jettchen wäre, in diesem Trubel in der Stadt zu leben, wo ihre Nerven so herunten sind; ich halte das für eine starke Zumutung. Nicht einmal eine Spur von einem Gärtchen hat eins von euch dreien am Haus, Jettchen – sei gescheit, Liebe, komme zu uns heraus auf das Land, da wirst du aufleben. Gucke, erstens schlachten wir alle Jahr zwei Säuchen – da kannst du dir ein Bene antun mit Wellfleisch – mit hausgemachten Leber- und Griebenwürsten – und Bratwürsten und Schinken. Zweitens darfst du im Garten herumwirtschaften und bosseln, soviel du willst. Märzveilchen, Vergissmeinnicht, Astern und Schwertlilien kannst du dir pflanzen, und Zwiebeln und Schnittlauch und Gurken und Kopfsalat ziehen. Drittens kannst du dir Geißen und Hasen halten, wenn dir es Spaß macht – von den Hühnern und den Gänsen noch gar nicht zu reden. Und dann – die gute Milch, und der weiße Käse – überhaupt – – “

 

„Überhaupt – überhaupt – was überhaupt“, haben jetzt die Minchen und die Gustel und die Sannchen gerufen, und es war so ein fürchterliches Geschnatter, und so ein Durcheinander, dass keine hat recht aufkommen können.

 

Die Jettchen ist an die Tür gegangen, hat sie – mit einer nicht miss-zu-verstehende Handbewegung – sperrangelweit aufgerissen und gesagt: „Gebt euch weiter keine Mühe – jetzt wird geheiratet.“

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

 

folgt