Kuriert I

aus: E klän Präsent

(in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten)

 

Die Binchen, die hat es in den Nerven,

sie kreckst den lieben langen Tag,

und alle Ritt da will sie sterben,

ihr Mann hat nichts als Last und Plage.

 

Heute sagt sie zu ihm: lieber August,

es geht mir im Kopf herum, früh und spät,

ach Gott, was soll nur aus Dir werden,

wenn ich diese Woche noch sterben täte ?

 

Beruhige Dich, meine liebe Binchen,

rege Dich nicht auf, schlucke Deine Arznei,

wenn Du nicht mehr da bist, liebe Alte,

dann gehe ich auf die Freierei.

 

Jawohlchen, guck, das täte Dir passen,

und alle meine Sachen, schön und gut,

mein Blüschen mit den seidenen Tupfen,

meine Uhr, meine Brosche, mein Federhut,

 

die Mantille mit den vielen Schlöppchen (Schleifchen),

meine schöne, echte Perlenkette,

das Schneiderkleid, die Spitzenkragen,

mein neues Astrachan-Jackett,

 

das alles täte eine Andere tragen ?

das gibst Du zu – so, so, oh mein,

von jetzt an bin ich gesund, verstanden,

mein Sach gehört mein (mir), und bleibt auch mein (mir).

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise: