Mutter Maus

aus: Gedichtchen für Kinder

(hochdeutsch)

 

Bei Mausens herrschte große Not,

sie hatten nicht mal trockenes Brot,

die Mutter ging allnächtlich aus,

doch brachte sie fast nichts nach Haus;

ob sie auch lief die Kreuz und Quer,

sie fand kein einzig Krümchen mehr,

denn blank gefegt war Tisch und Bank

und fest verschlossen Spind und Schrank.

 

Vom Küchenschrank ein Duft gar fein

zog in Frau Mausens Herz hinein;

ach, seufzte sie, ach, fänd ich doch

hier nur ein winzig kleines Loch,

das wär´ mal fein, das gäb´ ein Fest

für unser kleines Mäuse-Nest.

 

Sie ging mit Eifer nun und Fleiß

gleich an ihr Werk, ganz sacht und leis

die ganze liebe, lange Nacht,

hat sie genagt, hat sie gewacht;

und erst als schon der Morgen graut,

der junge Tag ins Fenster schaut,

da eilt sie husch, husch, husch, nach Haus,

ruht sich auf ihrem Bettchen aus.

 

Ihr Kinderlein, habt frohen Mut,

so rief sie, bald wird alles gut,

nur eine Nacht noch an dem Schrank,

dann gibt’s in Fülle Speis´ und Trank.

Als es nun wieder Abend war,

nahm Abschied von der Kinderschar

und zog zur Arbeit froh hinaus

die gute, alte Mutter Maus.

 

Ei, ei, wie duftet´s da so schön,

Frau Maus, sie kann nicht widerstehen,

sie schleicht sich rasch mal um die Eck´,

da gibt’s ihr Leibgericht, den Speck.

Sie huscht ein wenig in die Fall´,

gleich darauf gab es einen Knall,

und als sie zitternd lief umher,

da fand sie keinen Ausgang mehr.

 

Sie rannte auf, sie rannte ab,

sie nagt am Gitter, zerrt am Stab,

sie bückte sich, sprang in die Höh´,

es half ihr nichts, oh weh, oh weh

und ein gar tiefer, tiefer Schmerz

erfasst ihr Mäuse-Mutter-Herz,

sie denkt an ihre Kinderlein,

die so verlassen, so allein.

 

Inzwischen wird es heller Tag,

die Hausfrau kommt und sieht gleich nach,

und lacht und lacht und spricht für sich:

ha, Störenfried, nun hab´ ich dich;

wart, du erschreckst mich nun nicht mehr,

ich hol´ jetzt gleich die Katze her.

 

Als sie die Falle nimmt zur Hand,

da guckt Frau Maus sie unverwandt

mit ihren schwarzen Äuglein an,

(es hing noch eine Träne dran),

und hebt die Vorderpfötchen hoch:

ach, liebe Frau, erbarm dich doch,

zu Hause meine Kinderlein

voll Sehnsucht nach der Mutter schreien.

 

Da wird der Frau gar weich ums Herz,

sie ehrt den Mäuse-Mutter-Schmerz,

sie macht die Fall´ auf, und im Nu

Frau Maus eilt ihrer Wohnung zu.

 

Nun merkt, ihr Kinder, groß und klein,

wisst ihr mal nicht, wo aus und ein,

und steht ihr Angst und Schrecken aus,

macht´s wie die gute Mutter Maus;

mit Bitten und mit liebem Wort

schafft man sich Freunde hier und dort,

und steckt ihr dann mal in ´ner Fall,

dann hilft man euch auch überall.

 

Lina Sommer