Der Frühstückskorb

aus: Schtillvergniegt

in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten

 

(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch gelesen

wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)

 

 

„Na, Lottchen, da haben wir ja die Bescherung, schon vor der Bescherung“, sagt der Herr Becker zu seinem Frau’chen, als er ihr am Morgen vom 24. Dezember eine Postkarte von ihrem Bruder über den Tisch hinüberlangt. „Jetzt hast du doch den Fritz schon vor vierzehn Tagen eingeladen, dass er zu Weihnachten zu uns kommen soll – keine Silbe hat der Racker von sich hören lassen – und da schreibt er eben kurz und bündig, dass er heute Morgen um zehn ankommt.

 

Was machen wir denn jetzt – sein Weihnachtspaket ist schon unterwegs, und wir können ihn doch nicht mit leeren Händen unter dem Christbaum stehen lassen.“ „Natürlich nicht, da hast du Recht“, stimmt das Lottchen bei, „aber das ist alles Nebensache, das mache ich schon. Nein, wie ich mich freue, den Fritz zu sehen, das glaubst du gar nicht. Es war immer schon so ein hübsches patentes Kerlchen – wie gut muss ihm erst die Uniform stehen – seit unserer Hochzeit haben wir ihn ja nicht mehr gesehen.“

 

„Na, Lottchen, nur nicht gleich so feurig, es gibt anderwärts auch noch patente Männer, die sich sehen lassen können, auch wenn sie kein zweierlei Tuch tragen“, sagt Herr Becker, und lässt dabei einen selbstgefälligen Blick über sein Konterfei in dem gegenüber hängenden Spiegel fallen: „Wenn du übrigens noch in die Stadt willst etwas besorgen, ist es höchste Zeit, – in zwanzig Minuten geht das Lokalbähnchen ab, vielleicht erwischst du unterwegs den Besuch, und bringst ihn dann gleich mit.“

 

Nachdem Frau Becker noch ein Attack‘chen auf das Portemonnaie von ihrem Mann gemacht hat, stiefelt sie vergnügt zum Bahnhof; ihr Mann guckt ihr nach, und denkt so bei sich: „Etwas Lieberes, und Hübscheres, und Praktischeres als sein Lottchen, gäbe es doch in der Herrgottswelt nicht mehr.“

 

Die junge Frau fährt also in die Stadt und da entdeckt sie bald in der Auslage vom ersten Delikatessen-Geschäft einen Frühstückskorb von riesigen Dimensionen, und so schön

gefüllt mit allerlei Essbarem, dass einem schon beim Angucken das Wasser im Mund zusammengelaufen ist. „So“, denkt sie – „das muss seinem Soldaten-Herz und -Magen gehörig imponieren“, geht hinein, kauft das Ungeheuer, und der Kaufmann versichert ihr

hoch und teuer, dass der Korb gleich nach dem Mittagessen hinausgeschickt werden soll.

 

Zu rechter Zeit kommt sie noch an den Bahnhof und holt ihren Bruder ab; der macht ihr dann gleich das Kompliment, dass der Ehestand ihr scheint es sehr gut bekäme, denn sie wäre bedeutend breiter geworden, – was von dem Lottchen mit einem „ja, ich danke, vorzüglich“ quittiert worden ist. Der Einjährige sagt dann, dass er zu allererst auf das Bezirksamt müsste, sich anzumelden, und das Lottchen wartet so lange auf ihn am Bahnhof.

 

Unterwegs zerbricht er sich seinen Kopf, was er denn seinem Schwager zu Weihnachten schenken könnte (für das Lottchen hat er schon etwas gehabt); er wollte sich doch nicht lumpen lassen, und so fällt ihm ein Stein vom Herz, wie ihm da an einem Schaufenster ein riesiges Exemplar von einem Frühstückskorb förmlich entgegenlacht. Er geht also auch hinein, kauft den Fourage-Behälter und bezahlt ihn auch gleich unter dieser Bedingung, dass er ihm, gut verpackt, unter der Adresse von seinem Schwager nachgebracht wird.

 

Dann sind die zwei Geschwister eingestiegen – haben sich unterhalten und gefreut wie die Kinder, und wie dann gar der Herr Gemahl und Schwager in all seiner Glorie sie abgeholt hat, da war alles ein Herz und eine Seele. Im Lauf vom Nachmittag hat der Vaterlandsverteidiger alle Augenblick seinen Kopf in die Küchentür hineingesteckt (was bei Soldaten ja sonst bekanntlich nie vorkommt) und hat dem hübschen Dienstmädchen die himmelbesten Worte und auch sonst noch etwas gegeben – „ob denn immer noch nichts für ihn angekommen wäre“, und je näher es auf die Bescherung zugegangen ist, desto ungeduldiger ist er geworden.

 

Doch es war jetzt nichts zu machen, – und horche nur, da klingelt es auch schon; der Herr Schwager mit seinem martialischen Bart spielt das Christkindlein, und das Lottchen und der Fritz marschieren glückselig wie die Kinder, in das Weihnachtszimmer. Unter dem brennenden Baum steht ein riesiger Frühstückskorb; plein carrière, mit einem Seufzer der Erleichterung springt der Einjährige darauf los – packt ihn mit beiden Händen und überreicht ihn seinem Schwager mit den Worten: (hochdeutsch:) „Hier, lieber Karl, eine kleine Dedikation, als großes Zeichen meiner Liebe – lass dir den Inhalt gut schmecken.“

 

„Na, das heiße ich doch unverfroren, dich sollen ja neunundneunzig Kröten petzen“, lacht der Schwager Karl, – „der Korb ist doch für dich, – diesen haben wir ja als Weihnachtsgeschenk für dich bestimmt.“ „Na, lasse aber doch die Possen“, wehrt der Fritz, immer noch das Ungeheuer präsentierend, „verdirb mir doch dieses bisschen Freude nicht, – tue mir den einzigen Gefallen und nimm den Korb an.“

 

„Fällt mir gar nicht ein, dass ich dir diesen Gefallen tue, der Korb gehört dir, das Lottchen hat ihn ja extra heute Morgen für dich in der Stadt besorgt.“ „Da hört aber doch die Gemütlichkeit auf“, brummt der Vaterlandsverteidiger und es geht noch so eine Zeitlang hin und her, Einer probiert es immer, den Anderen zu beglücken und ihm den Korb aufzukomplimentieren und jeder denkt, er wäre im Recht. Schließlich ist das Dienstmädchen herein gekommen, sich auch sein Weihnachtsgeschenk zu holen, und sagt dabei so zufällig: „Vorhin war ein Bursche da, der hat noch so ein Dings da abgeben wollen, – ich habe aber gesagt, er müsste sich irren, wir hätten schon so einen Fresskorb.“

 

Jetzt hat es natürlich allgemeine Heiterkeit gegeben, – es hat sich alles in Wohlgefallen aufgelöst – und lustig haben die Gläser aneinander geklungen. Der übermütige Fritz hat jetzt die Frage aufgeworfen: „Welcher Frühstückskorb ist das aber jetzt, – ist es dieser, den ich besorgt habe – oder ist es der vom Lottchen? Ich glaube als, es ist dieser von mir, denn gerade so hat er ausgesehen.“ „Keine Spur von einer Idee“ behauptet seine Schwester fest und steif, – es ist dieser von mir, – ich kenne ihn ganz genau.“ „Na, Lottchen, ereifere dich doch nicht so, auch eine tüchtige Hausfrau kann sich einmal irren, – ich bleibe bei meiner Ansicht.“

 

Da hört man vom Korridor her eine laute, ungeduldige Stimme: „Na, Fräuleinchen, diesen Weg hätten Sie mir auch sparen können, das zweite Mal, heute am Weihnachtsabend, – Sie sind eine rechte Urschel. Dieser Korb ist doch für Ihre Herrschaft, ein Soldat hat ihn ja bestellt und gleich bezahlt.“ „So, da haben wir es jetzt, Fritz“, ruft das Lottchen triumphierend, „wer hat jetzt Recht?“ „Mein liebes Frauchen, – wie immer“, sagt ihr Mann und lacht mit dem ganzen Gesicht. Inzwischen bringt das Mädchen den Korb herein: „Ja, ist es denn ein Wunder, wenn ich mich geirrt habe“, verdeffendiert sich der Fritz, „da guckt nur hin, – die sehen sich doch ganz verzweifelt ähnlich, – Wurst – wieder Wurst, – in meinem Leben schenke ich niemandem mehr einen Frühstückskorb zu Weihnachten.“

 

Die Pasteten, Büchsen, Rouladen und Würste mit ihren himmelblauen Schleifen und weißen Papierkrausen um den Hals und um die Taille, die haben aufmerksam zugehört und die Ohren gespitzt, was da verhandelt wird, aber es hat sich doch keines einen rechten Vers über die Geschichte machen können.

 

Lina Sommer

 

Originalschreibweise:

 

folgt