Eine Teufelsgeschichte
aus: Hausapothek
in Mundart zu lesen - Originalschreibweise siehe unten
(Dieser Text ist in pfälzer Mundart zu lesen, wenn er hochdeutsch
gelesen
wird, ergibt sich an vielen Stellen ein schlechtes oder sogar falsches Deutsch)
Obschon er ja nicht die allergeringste Ähnlichkeit mit seinem berühmten, oder vielmehr berüchtigten Namensvetter gehabt hat, – denn er ist ein blondes, blauäugiges Kerlchen gewesen – hat sich der kleine Schorsch(el) Teufel doch oft über seinen Namen geärgert. Besonders wenn ihm die Buben auf der Gasse als nachgerufen haben: „Teufel, Teufelchen – ätsch, ätsch, Teufelsbraten“, da ist er als außer Rand und Band gekommen, und seine Mutter hat ihn daheim nur noch zu trösten und zu beruhigen gehabt.
„Gehe, musst nicht weinen, mein Büb(el)chen“, hat sie als gesagt und hat ihm die Haare aus der Stirne gestrichen – „mache, wie wenn du es nicht hörst, oder wie wenn es dich nichts anginge, und wenn die bösen Buben merken, dass du dich nicht alterierst, dann hören sie schon von selbst auf.“ Der Schorsch(el) hat seiner Mutter gefolgt, und wie die Kameraden gemerkt haben, dass er nicht mehr in Wut kommt, haben sie ihn ruhig laufen gelassen, und er ist unbehelligt und fröhlich in das Leben hineingewachsen.
Wie er aus der Schule gekommen ist, hat er sich vorgenommen, er wollte ein Beamter werden, ist auf das Rathaus gegangen und wie ein paar Jahre herum gewesen sind, da ist er ein Herr Ratsschreiber gewesen. Gerade gegenüber von der Amtsstube hat mit seinem einzigen Töchterlein, dem Treidchen, ein pensionierter Gendarmerie-Wachtmeister gewohnt. Der hat ein Herz gehabt so weich wie Butter, und für dass er nicht ausgenützt und nicht missbraucht wird, hat er sich aufgespielt wie ein Menschenfresser, und hat mit Donner und Doria, – Tod und Teufel, Gewitterdonnerkeitel nur so um sich geschmissen.
Auf diese Art hat er sich alle Leute drei Schritte vom Leib gehalten, und auch an sein Töchterlein hat sich niemand getraut, als gerade der Schorsch Teufel. Der hat das Treidchen viel zu lieb gehabt, als dass er sich hätte abschrecken, oder ängstlich machen, oder ins Bockshorn jagen lassen, und alle Abend, wenn der Herr Gendarmerie-Wachtmeister im „Goldenen Löwen“ seinen Schoppen getrunken und sein Tarock geklopft hat, haben sich die zwei jungen Leute im Garten getroffen.
Wie aber das Treidchen einmal so arg geweint hat: es hätte so Angst, dass der Papa einmal dahinter käme, da hat der Schorsch es getröstet und hat gesagt, er hätte die Heimlichkeit auch satt, gleich am anderen Tag, nach der Kirche täte er kommen, und um es anhalten. Der Herr Gendarmerie-Wachtmeister ist sein Lebtag kein Kirchenläufer (Kirchgänger) gewesen. Dem Sonntag zu Ehren hat er länger geschlafen, und bis er dann seine frische Wäsche angezogen, nach dem Wetter geguckt und sich rasiert gehabt hat, ist er arg spät in die Wohnstube gekommen. Er hat gemütlich den Kaffee getrunken, das Zimtküchlein eingetunkt, und wie sein Töchterlein dann den Tisch abdecken will, sagt er: „du, Treidchen, da hocke dich einmal her, ich habe etwas mit dir zu reden.
Gelt, mein Kind, du kommst doch jetzt in die Jahre, wo ein junges Mädchen gerne einen braven Mann und eine eigene Haushaltung hätte, – habe ich recht oder nicht ? Heraus mit der Sprache.“ „Ei ja, Papa, du hast ganz recht.“ „Gut, und gucke, weil die Mama schon unter dem Boden liegt, muss ich mich halt ein bisschen für dich umgucken. Kurz und gut, was meinst du denn zum Herrn Posthalter seinem Jakob?“ „Was ich da meine, Papa – ei, da muss ich ja gerade hinauslachen.“ „So, du musst lachen, warum musst du lachen ?“ „Ei, weil er so ein Duckmäuser und ein Kopfhänger ist und keine drei Worte herausbringt.“
„Lieber ein Kopfhänger zum Tochtermann, der so sein Geld zusammen hält, als wie ein Luftikus. Und was das anbelangt, das Reden wirst du ihm schon noch beibringen.“ „Nein, Papa, gib dir weiter keine Mühe, den nehme ich nicht.“ „So, und wenn ich einmal die Augen zumache, und meine Pension fällt weg, von was willst du leben ? Ich kann dir nichts hinterlassen, willst du vielleicht am Finger suckeln ? Gucke, Treidchen, ich meine es so gut mit dir, so ein gemachtes Bett findest du weit und breit nicht mehr.
Der Herr Posthalter will sich zur Ruhe setzen und will dem Jakob alles übergeben, Vier Gäule, und was für Gäule, zwei Chaisen, da kannst du jeden Tag spazieren fahren, und auf dem ganzen großen Anwesen, mitsamt den Äckern und den Wingerten, kein Pfennig Lasten oder Hypotheken.“ „Und wenn er voll Goldstückchen hängt, Papa, ich nehme ihn nicht.“ „Was sind das jetzt für Redensarten, seit wann bist du so obstinat ? Du hast, scheint es, das vierte Gebot vergessen. Du gibst ihm dein Wort, ich habe dich schon versprochen, heute Mittag kommt er und im Herbst machen wir Hochzeit.“
„Eher gehe ich ins Kloster, oder in die Bach und ertränke mich.“ „Was, mein einziges Kind will mir offen Widerpart halten ? Das will ich doch einmal sehen, wer Herr im Haus ist. Du nimmst ihn, sage ich dir.“ „Nein, Papa.“ „Du nimmst ihn, sonst soll doch, sonst soll dich – – der Teufel soll dich holen, wie du gehst und stehst.“ Im selben Augenblick wird die Tür sperrangelweit aufgerissen, und eine frische, fröhliche Stimme ruft: „da ist er schon und holt sich das Treidchen, wie es geht und steht, und lässt es sein Lebtag nicht mehr los, wir sind uns schon einig.“
Wie jetzt der junge Mann das Treidchen so fest in den Arm nimmt und es an das Herz drückt, wie wenn er es gegen alle Rabenväter und Posthalter und Mordbrenner von der ganzen Welt verteidigen und schützen müsst, da ist es dem Papa ganz eigentümlich zu Mut geworden. Die Stunde ist wieder vor ihm gestanden, wie ein anderes resolutes, liebes, junges pfälzer Mädchen fest zu ihm gehalten hat, trotz alle anderen, wohlgemeinten Absichten von seinem Papa, und die Augen sind ihm feucht geworden.
Dass man es ja nicht merken soll, hat er sein rotkariertes Sacktuch herausgezogen, hat sich ein paar Mal die Nase geputzt, und dann hat er mit seiner martialischen pfälzer Stimme gerufen: „in drei Teufels Namen, da nehmen Sie sie halt, Sie Teufelskerl, Sie. Aber wenn Sie sie nicht glücklich machen und nicht in Ehren halten, dann soll Ihnen doch gleich“ – – „der Teufel holen“, hat der neugebackene Bräutigam gelacht.
Lina Sommer
Originalschreibweise folgt